C. F. Gellerts Sämmtliche Schriften Zweyter Theil - Christian Fürchtegott Gellert

C. F. Gellerts Sämmtliche Schriften Zweyter Theil

von Christian Fürchtegott Gellert

  • Veröffentlichungsdatum: 2013-05-25
  • Genre: Belletristik und Literatur

Beschreibung

Wie selig lebt ein Mann, der seine Pflichten kennt, Und, seine Pflicht zu thun, aus Menschenliebe brennt, Der, wenn ihn auch kein Eid zum Dienst der Welt verbindet, Beruf, und Eid und Amt schon in sich selber findet! Ihm wird des andern Wohl sein eignes Himmelreich; Er fühlet meine Noth, als träf ihn selbst der Streich; Und das, was ihn beherrscht, ist ein gerecht Bestreben, So treu, als er sich lebt, der ganzen Welt zu leben. Das seine milde Hand dir Glück und Ruhe schafft, Ist kein erzwungner Trieb von deiner Thränen Kraft: Er sieht, du bist es werth, er sieht, er kann dir nützen, Und mehr, als du gehofft, wirst du durch ihn besitzen. Nicht macht er dich beglückt, daß du sein Sklave seyst, Und aus Erkenntlichkeit ihm dein Gewissen leihst, Und, weil er dein gedacht, ihm dich auf ewig schenkest, Und, wie er denkt und glaubt, auch mit ihm glaubst und denkest. Auch hilft dir nicht sein Herz nur bloß aus Weichlichkeit. Indem es jede Noth aus innrer Wollust scheut; Viel minder wird er dich mit seiner Gunst beglücken, Um, was er einmal that, dir zehnmal vorzurücken. Nicht darum wird dein Glück von seiner Huld vermehrt, Von seinem Arm beschützt, damit man öfters hört: »Ich hob ihn aus dem Staub in den beglückten Orden, Ich sprach: er werde groß, und er ist groß geworden.« Nein, wenn der Menschenfreund sich um dein Wohl bemüht: So glaub, er wartet nicht, bis es der Erdkreis sieht. Er bittet dich vielmehr die Wohlthat zu verschweigen; Gott und sein eignes Herz sind ihm die liebsten Zeugen. Kein Stolz noch Eigennutz wirkt seine Gütigkeit. Was die Natur befiehlt, was die Vernunft gebeut, Was dein Bedürfniß heischt, dieß reizet seine Triebe, Auch ohne Ruhm und Lohn, zu wahrer Menschenliebe. Nie hält er sich zu schwach, dir hülfreich beyzustehn; Sein Ansehn und sein Freund, sein Stand, sein Wohlergehn, Sind Mittel deines Glücks; und kann er nicht durch Thaten, So wird er durch Verstand, und durch Erfahrung rathen. O! spricht er bey sich selbst, mir gab der Allmacht Hand, Bey Gütern und Gewalt, auch Willen und Verstand; Die letzten wend ich an, damit die ersten Gaben, Indem sie mir genützt, der Welt genützet haben. Was soll der reiche Schatz? Wie soll er nur allein Des Moders halber Raub und meine Marter seyn? Und soll ich, als ein Thor, mein Herz und mein Gewissen, Vergnügen und Verstand zugleich mit ihm verschliessen? Welch Elend ist mein Glück, wenn ich von Unruh voll, Als meines Schatzes Herr, den Schatz nur hüten soll! Bekam ich darum nur der Väter reiches Erbe, Damit ich reicher noch, als meine Väter, sterbe? Ist dieß des Reichthums Frucht, daß ich, dem Geize treu, Bey allem Ueberfluß selbst arm und dürftig sey: So fluch ich auf mein Glück, und nenn es eine Bürde, Und hielt ein Freudenfest, wenn sie gestohlen würde. Der, der aus seiner Hand, die ihn mit Müh ernährt, Und noch vom Fleisse schwitzt, sein schwarzes Brodt verzehrt, Und sichs zufrieden gönnt, ists gleich das letzte Stücke, Lebt besser ohne Glück, als ich bey grossem Glücke. Zwar seh ich, wie Gargil sein reiches Gut gebraucht, Wenn stets sein Speisesaal von zwanzig Schüsseln raucht; Nie hebt die Tafel an, so zeigen neue Trachten, Daß ihm die Väter nicht umsonst ihr Geld vermachten. Wahr ists, Gargil lebt wohl, komm auch um Mitternacht! Da kömmt kein Gast zu spät, wo stets der Mundkoch wacht. Dich wird der liebste Wirth mit Speisen überladen, Mit Gläsern auf dich gehn, und dich mit Weine baden. Trink dich um den Verstand, du trinkst ihm nie zu viel. Du taumelst, taumle recht, denn dieses wünscht Gargil; Er lacht den andern Tag, wenn du die Stirne streichest, Und krank durch seine Huld, aus seinem Hause schleichest. So braucht Gargil sein Gut, und legt der Schwelgerey, Mit welcher ers verpraßt, der Großmuth Namen bey, Und meynt, er lebe klug, und lebt, und schwelgt bethöret, Bis sein Palast für Schuld der ganzen Stadt gehöret.

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